Bafög unser Thema
Verfasst: Mo Okt 04, 2010 6:03 pm
- Zu der Frage der Elternabhängigkeit des Bafög schreibst du, es sei erstens um die Staatskasse zu schonen und zweitens um ein bisschen mehr Gerechtigkeit zwischen den Studierenden verschiedener Gesellschaftsschichten zu schaffen.
- Die Staatskasse zu schohnen ist sicher ein ehernes Ziel. Allerdings ist eine Kasse nicht nur da Wechselgeld rauszugeben sonder auch Einnahmen aufzunehmen. Diese andere Seite wird in unserer Gesellschaft zunehmend abgebaut. Die Senkung des Spitzensteuersatzes auf 45% ist z.B. ein Manko. 1991 lag er z.B. bei 60,5%.
Es liegt in der Hand unserer Gesellschaft - heute dem sozialen Europa - diesen festzulegen und damit über Finanzmittel zu verfügen oder eben nicht.
Es gibt m.E. keinen gerechten (Spitzen)steuersatz.
Steuern die wir nicht erheben, türmen sich zu unseren Staatsschulden. Anstatt die Steuer zu erheben leihen wir - unser Staat - von den Betuchten und zahlen ihnen Zinsen. Die Zinsen machen den zweitgrößten Teil des Bundeshaushaltes aus.
Während die Zinszahlungen sprich „Transferzahlungen an die Reichen“ als ein naturgesetzlich fundamentiertes Muss erscheinen, werden die Sozialtransfers als ein, dem humanistischen Ideal geschuldetem Kann verklärt.
Es ist unserer Gesellschaft nicht verboten den Spitzensteuersatz auf 100% zu setzen, also ein maximales Privateinkommen zu definieren.
- Der andere Punkt, die Gerechtigkeit. Diese ist ein Augenwischerei.
Angenommen jeder Studierende erhält ein elternunabhängiges Bafög von sagen wir 800 Euro.
- Augenscheinlicher Vorteil ist, dass rechtlich kein Unterschied zwischen den Studierenden verschiedener sozialer Schichten entsteht.
Es gibt also keine Studenten, aus sozial schwachen Schichten, die in endlosen Fluren des Rechtsgebäude unseres Sozialstaates herumirren, um am Ende vor solchen Sachbearbeiterinnen wie Frau Maier oder Müller – die ihrerseits prima von Staatsknete leben – den Bittsteller abgeben zu müssen.
Es wäre gleiches Recht für jeden Studierenden.
- Ungerecht sei es, weil der Spross reicher Eltern kein Bäfög nötig hätte.
Angenommen der Spross reicher Eltern bekäme 800 € im Monat.
Die Eltern hätten z.B. ein zu versteuerndes Einkommen von 8.000 € und zahlen gegenwärtig etwa (44%) 3.520 Euro Steuern. Es verbleiben 4.480 Euro von denen sie 800 Euro ihrem Kind bezahlen. Damit haben sie für sich noch 3.680 Euro übrig.
Um eine Plusminusnull Rechung für diese Musterfamilie auf zu machen, müsste der Staat den Steuersatz um 10 Punkte auf 54 % anheben.
Die Eltern würden 4.320 Euro Steuer zahlen davon gehen (aus der Staatskasse) 800 Euro an den Studenten. Den Eltern verbleiben nach wie vor 3.680 Euro, für sie hat sich nichts geändert.
Nur für den Studenten ändert sich was . Er ist nicht Bittsteller bei den Eltern, ist ihnen gegenüber nicht rechenschaftspflichtig usw. sondern er „verdient“ seinen Lebensunterhalt durch seine Bereitschaft sich für die Gemeinschaft ausbilden zu lassen. Der Erhalt von Bafög würde den gleichen rechtlichen Rahmen bekommen wie z.B. der Bezug von Diäten durch unsere Abgeordneten.
Diese Rechung ist natürlich der Höhe nach irreal, weil es zahlreiche Einkommensbezieher gibt, die keine Kinder haben und also auch keine „Kosten“ tragen.
Stellen wir der Musterfamilie noch einen kinderlosen Einkommensbezieher an die Seite. Dieser müsste durch die Erhöhung des Steuersatzes ebenfalls 800 Euro zusätzlich berappen. Oder der Steuersatz wird lediglich auf 49 % angehoben, um die 800 Euro für den Spross der bessergestellten Familie zu erwirtschaften. Die „Kosten“ würde sich also auf mehrere Köpfe verteilen.
Gibt es eine größerer Gerechtigkeit als die, alle Mitglieder unserer Gesellschaft gleichermaßen an den Kosten für die Ausbildung unseres Nachwuchses zu beteiligen?
- Das Ganze funktioniert ohne Prüfungen der Finanzen der Eltern und hat den Vorteil den Studierenden selbst, ihre Elternunabhängigkeit zu gewährleisten. Man muss also weder beim Staat noch bei den Eltern betteln. Niemand braucht seine Eltern zu verklagen usw. usf.
- Die Rückzahlung der Ausbildungskosten an die Gemeinschaft funktioniert wieder genau so simpel. Diejenigen die Ihre Ausbildung erfolgreich abgeschlossen und eine interessante, aufregende und gutbezahlte Beschäftigung aufgenommen haben bezahlen über die abzuführenden Steuern ihre Ausbildungskosten zurück. Hier braucht es keine Darlehensverträge und ähnliches. Diejenigen, die kein Einkommen erzielen, zahlen nicht zurück bis sie Einkommen erzielen.
Oder ist es gerecht, von jemanden zu verlangen die Kosten seiner Ausbildung zurückzuerstatten ihm aber keine Verdienstmöglichkeiten zu offerieren.
Ich bin nun seit mindestens 20 Jahren dazu verurteilt dem Bafögamt meine neue Adresse mitzuteilen wenn ich mal umziehe, regelmäßig meine Einkünfte offen zu legen und die Rückstellung zu beantragen. Die Verwaltung meiner Bafögschuld hat dem Steuerzahler mehr gekostet als sie wert ist. Es sind ja gutbezahlte Beamte die kleinlich darüber wachen ob meine Einkünfte nicht doch zu schmälern seien. Eine versäumte Frist, oder ein verschluderter Brief, schon ham dich die Herren am Kanthaken.
Ich lebe in etwas, das man früher Schuldknechtschaft nannte. Nur früher konnte man sich irgendwann freikaufen. Die moderne Gesellschaft ist in der Hinsicht so asozial, dass sie nicht mal auf den Gedanken kommt mir ein Arbeitangebot zu machen damit ich meine Schulden loswerde.
In der Regel, so die Gesetzeshüter, verdienen Akademiker mehr als Nichtakademiker darum sei die Rückzahlung der Ausbildungskosten opportun.
Was nutz mir eine solch feine Regel, wenn ich die sie bestätigende Ausnahme bin?
Es sind diejenigen die, aus welchen Gründen auch immer, von dem Studium nicht haben profitieren können die letztlich keinen gutbezahlten Job erhaschen, also die Finanzschwachen, denen hier eine ganz besondere Last aufgebürdet wird..
Wenn du liegst, sollst du dich nicht mehr erheben – das ist die asoziale Grundlage dieser Rechtsauffassung.
- Kommen wir zurück zum elterneinkommensabhängig zugeteilten Bafög. Die angeblich beabsichtige Gerechtigkeit erweist sich bei genauer Sicht sogar als höchst ungerecht. Eine miese finanzielle Lage wird ja durch dies Art von der Gerechtigkeit zementiert.
Es gibt ein Lebensminimum - die Steuerfreigrenze liegt bei etwa 9.000 Euro im Jahr. Fängt man nun an darüber zu verdienen, kommen alle Ämter die für „irgendwen“ Sozialleistungen zahlen oder gezahlt haben, für den du als Mensch laut SozialgesetzbuchXYZ zu zahlen hast auf dich zu.
Ich müsste nun für meine Mutter aufkommen, für deine Ausbildung, ich müsste mein Bafög zurückzahlen und dem Jugendamt usw.
- Obendrein sind viele der Aufwendungen die mir abverlangt werden nicht mal steuermindernd, d.h. sie vermindern nicht das zu versteuernde Einkommen.
Ich zahle z.B. Steuern während du gleichzeitig beginnst einen Bafögschuldenberg aufzuhäufen. Auch die Höhe meiner Bafögschulden bleibt durch meinen Steuerzahlungen unberührt. Ich bin Steuerzahler und Sozialtransferleistungsempfänger in einer Person.
- Auch hat der Gesetzgeber einen Armutsgraben gezogen der nicht einfach zu überwinden ist.
Wenn das Bafögamt feststellt dass ich im Monat 10 € für deine Ausbildung aufbringen müsste, werden mir 10€ abgezogen ohne das du 10 € mehr erhältst.
Auch andere Ämter werden sich dann an mich wenden und ihrerseits, mit Habitus mittelalterlicher Steuereintreiber, irgendwelche Zahlungen von mir verlangen.
Also, auch wenn zusätzliche Finanzen in die Tasche eines mageren Geldsacks gelangen ändert sich sein Los erste wenn die Summe eine bestimmte magische Höhe erreicht.
- Es wird sozialrechtlich eine wirtschaftliche Symbiose erzeugt mit der Konsequenz, dass sich die Partner gegenseitig nach unten ziehen. Kippt man in den Schlund eines Mitglieds dieser symbiotischen Vereinigung etwas mehr materiellen Wohlstand, versickert er in dem ausgedörrte Boden auf dem sie, diese sozialrechtlich konstruierte Symbiose, lebt.
Im schlimmsten Fall machen sich die sozialrechtlich aneinandergeschmiedeten Menschen sogar noch gegenseitig für ihr Schicksal verantwortlich.
- Ich nenne das die Armutssteuer. Eine Steuer, die die in Sippenhaft genommene Gruppe dem Staat zu entrichten hat.
- Für die Bonuszahlungen an Mitarbeiter der maroden Immobilienbank Hypo Real Estate in Höhe von 25 Millionen Euro müssten aus 208.333,33 sozialrechtlich generierten, virtuellen Haushalten monatlichen 10 Euro ausgepresst werden. Wozu ein Verwaltungsaufwand von etwa 8.000.000 Euro (etwa 200 Stellen versicherungspflichtige Stellen) notwendig wäre, den man durch Bearbeitung weiterer 70.000 Haushalte erwirtschaften könnte
- Kurz, elternEINKOMMENSunabhängiges und als Vollzuschuss zum Lebensunterhalt ausgezahltes Bafög wäre m.E. die einzig richtige Forderung, die sofern durchgesetzt den sozialen Ausgleich zwischen den Studierenden am ehesten gewährleisten würde.
- Puh, das war ja jetzt ein Vortrag!