6. Nur der Hunger macht uns wirklich stark!
6. Alles, was gegen einen allgemeinen [?] »Kombilohn« spricht, spricht auch gegen ein Bedingungsloses Grundeinkommen:
Anstatt den Unterschied zwischen Kombilohn und BGE herauszuarbeiten, wird versucht beides in einem großen Bottich zu verrühren. Die vielfältigen Aversionen gegen den Kombilohn sollen auf diese Weise das BGE erschlagen. Auch ist unklar was ein
allgemeiner Kombilohn sein soll. Die Aversionen gegen den Kombilohn kommen zunächst aus dem realexistierenden, der in vielen konkreten Formen erscheint: 1Euro-Job, Aufstocklohn, Kurzarbeit, durch Eltern oder andere finanzierte Nulltarif-Praktika, Förderung behindertengerechter Arbeitsplätze usw usf.
Der reale Kombilohn wird nicht bedingungslos, etwa "allgemein" gezahlt. An einem entsprechenden Kombilohnarbeitsplatz wirken in der Regel drei Parteien mit. Neben klassichem Arbeitgeber und Arbeitnehmer, treten öffentlich Bedienstete hinzu, welche das Arbeitsverhältnis auf Antrag bewilligen und dann Monat für Monat im Auge haben. Für den Werktätigen bedeutet das neben "Erwerbstätigkeit" zusätzliche Lauferei. Und bereits mit der Antragstellung machen er und sein Arbeitgeber sich des Mitnehmens oder gar des Betruges verdächtig. Das Bedingungslose Grundeinkommen macht damit (bis auf Ausnahmen, s.u.) Schluß.
Aber unsre wackeren Professoren haben erstmal ganz seltsame Sorgen:
Wer über ein gesichertes Grundeinkommen verfügt, wird leichter dem Druck in Richtung eines geringeren Verdienstes nachgeben und einer Abwertung der Erwerbsarbeit zustimmen, was wiederum die materielle Grundlage des Grundeinkommens schwächt.
Dies ist das direkte Gegenteil zu der Ansicht, wonach grundeinkommensversorgte Bürger sich in ewiger Winterstarre am wohlsten fühlen. Jetzt rackern und schuften die von Ausgrenzung Bedrohten, die Nettobezieher, die eigentlichen Adressaten gemeinsam mit denjenigen, welche Solidarität am nötigsten haben für böse Kapitalisten und zwar möglichst umsonst! Nur der Hunger macht uns wirklich stark! So die Botschaft.
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Nun könnte der Staat schon heute sämtliche Löhne, Gehälter und Diäten in zwei Teilen überweisen. Ein Teil als "Grundeinkommen" und den anderen so wie heute als Gehalt. Und grundversorgt werden Herr Thierse, Frau Schwan und die Professoren sicherlich
"dem Druck in Richtung eines geringeren Verdienstes nachgeben und einer Abwertung ihrer
Erwerbsarbeit zustimmen, was wiederum die materielle Grundlage eines Grundeinkommens für alle stärkt! Ja, wir müssen uns um die Finanzierung noch weniger sorgen und hätten wohlmöglich einen Überschuß, mit dem wir einige afrikanische Staaten mit grundversorgen könnten. Genial!
Zunehmend mehr erwerbstätige Menschen erhalten nur derart niedrige Löhne, dass sie davon den eigenen Lebensunterhalt und den ihrer Familien nicht bestreiten können. Zumindest einige Spielarten [?] des Bedingungslosen Grundeinkommens versprechen [?] ihnen Abhilfe, zwar nicht höhere und Existenz sichernde Löhne, jedoch eine verlässliche Aufstockung ihrer Niedriglöhne, so dass sie ein Auskommen oberhalb der Armutsschwelle haben.
Thierse und Schwan und Professorenschaft winden sich wie die Aale. Während beim Kombilohn bis zu einem notwendigem Minimaleinkommen "aufgestockt" wird, haben wir beim BGE den umgekehrten Fall: Das BGE wird durch Einnahmen aus Erwerbsarbeit (oder andere Einnahmen) aufgestockt und dadurch kann das Gesamteinkommen beliebig höher ausfallen. Und je nach
Spielart des BGE, d.h. je nachdem auf welche Höhe sich die Gesellschaft einigt, muß zur bloßen Existenzsicherung, d.h. für Essen, Trinken, Kleiden und Wohnen gar nichts mehr hinzuverdient werden.
Das BGE verspricht hier nichts, das ist das Prinzip des Grundeinkommens.
Entsprechende Spielarten [nur die niedrigen!] des Grundeinkommens wirken wie ein »Kombilohn«, also wie ein sozialstaatlicher Zuschuss auf zu niedrige Erwerbseinkommen. Dadurch werden Arbeitskosten auf die Allgemeinheit verlagert und nicht wettbewerbsfähige Arbeitsplätze subventioniert.
2. Version des Ammenmärchens (Reiche kriegen noch mehr). Nehmen wir die heutige Steuermethode. Der Arbeitgeber merkt nur etwas von den Gesamtkosten K pro Arbeitnehmer. Mit
Nalt = Netto alt
Aalt = Abgaben alt (Steuern + 2 * Sozialabgaben)
Nneu = Netto alt - bge
Aneu = Abgaben alt (Steuern + 2 * Sozialabgaben) + bge
erhält man die bereits für Grundschüler verständliche Gleichung:
K = Nalt + Aalt = (Nalt-bge) + (Aalt+bge) = Nneu + Aneu
Bei einem BGE bedeuten niedrigere Nettolöhne/Gehälter keineswegs Übertragung der Arbeitskosten auf die Gesellschaft. Nur beim heutigen Kombilohn werden Arbeitsplätze subventioniert, denn dieser verringert die Gesamtkosten K (bei ausgewählten Arbeitgebern, s.u.).
Interessant bei solchen philosophischen Betrachtungen ist übrigens, daß hier ausschließlich die Privatwirtschaft, der klassische "kapitalistische" Betrieb ins Auge gefast wird. Andere Arbeitsverhältnisse scheint es nicht zu geben?
Gegenüber dem »Kombilohn« wird – aus guten Gründen – eingewandt, dass mit hohem Aufwand nur geringe Beschäftigungseffekte erzielt werden können, dass vor allem Mitnahmeeffekte seitens der Arbeitgeber hoch wahrscheinlich sind und dass er überdies zu einem Absinken des Lohnniveaus – vor allem im unterem Lohnsegment – und damit zugleich zu einem steigenden Bedarf nach sozialstaatlichen Lohnzuschüssen führen wird.
Nun ja, das ist eben der Kombilohn. Mitnahmeeffekte und Subventionen nicht wettbewerbsfähiger Arbeitsplätze ergeben sich, weil solche Kombilöhne nur unter Bedingungen gezahlt werden. Beim Kombilohn zahlt auch nicht die Gemeinschaft, sondern die einen Unternehmen zahlen über Steuern und Sozialabgaben (K) einen Teil der Gesamtkosten bei anderen Unternehmen. Und das keineswegs weil die Unternehmen "Not" leiden, sondern um die Erwerbstätigenstatistik zu verschönen.
Von Mitnahmeeffekte beim BGE zu sprechen wäre dagegen etwas seltsam, weil das BGE ja jeden Arbeitgeber auf gleiche Weise trifft.
Aber selbst wenn der Supergau eintritt, d.h. wenn die Gewinne steigen, so wissen alle normalbegabten Menschen, daß hier marktwirtschaftliche Kräfte wirken und die Preise der Waren entsprechend sinken.
Aus diesen Gründen werden allgemeine »Kombilohn«-Modelle von niemandem ernsthaft vertreten.
Eben, Kombilöhne sind Murks! Unsre Professoren hätten sich besser mit dem BGE befassen sollen!
Lediglich für bestimmte Zielgruppen mit besonderen Problemen auf den Arbeitsmärkten werden derartige Lohnzuschüsse in Erwägung gezogen. Genau diese Beschränkung ist bei einem Bedingungslosen Grundeinkommen gerade nicht möglich.
7. Version des Märchen vom kalten Staat, als dreiste Lüge. Es ist demagogosch irreführend Sozial- und Wirtschaftspolitik mit dem BGE für abgeschafft zu erklären. Das parlementarische Parlament wird auch nicht abgeschafft. Warum soll z.B. eine Kommune sich nicht an Lohn- oder Gehaltskosten beteiligen, gerade für bestimmte Zielgruppen, z.B. Behinderte?
Denn verfügt der Arbeitssuchende bereits über ein gesichertes Grundeinkommen wird er leichter dem Druck eines Arbeitgebers in Richtung eines geringeren Verdienstes nachgeben.
Wir wissen, daß Breittreten von Quark wieder Quark ergibt!
Das Problem von nicht Existenz sichernden Niedriglöhnen werden dann die Tarifparteien nicht mehr alleine lösen können, so dass in dieser Frage der Sozialstaat gefordert ist.
Wenn das BGE existenzsichernd ist, muß der Zuverdiens, also Löhne, Gehälter, Tantiemen, Diäten und Pensionen gar nicht mehr existenzsichernd sein. Einnahmen aus Erwerbsarbeit hängen von den Arbeitsbedingungen, von weiteren Konsumbedürfnissen sowie von markwirtschaftlichen Gegebenheiten ab. Wenn genug Menschen über ihre Existenz hinaus nicht viel mehr benötigen aber am oben vorgeschlagenen Subotnik teilnehmen wollen, arbeiten eben alle emsig und umsonst. Das wäre schon heute möglich, wenn 2/3 aller Arbeitnehmer auf die Hälfte ihres Gehaltes verzichteten und damit ihren Arbeitsplatz halbierten, könnte man die Anzahl der Arbeitsplätze über Vollbeschäftigung hinaus steigern.
Er [der Sozialstaat] sollte aber nicht einzig auf Sozialeinkommen setzen, denn Sozialeinkommen haben zwiespältige Wirkungen: Einerseits wirken Sozialhilfe bzw. Arbeitslosengeld II wie ein Mindestlohn, unterhalb dessen Erwerbstätige ihre Arbeitskraft nicht veräußern – verhindern also damit Niedrigstlöhne - andererseits wirken sie wie eine Art "Kombilohn" und befördern so de facto Niedrigstlöhne.
Das kommt eben daher, daß beim jetzigen System (hoch) Zuverdienst angerechnet wird. Bei einem BGE wäre Zuverdienst möglich und je mehr man hinzuverdient umsomehr fließt zusätzlich in die eigene Tasche. Gegen den Murks von heute hätten wir eine einfach durchschaubare Marktwirtschaft auf höherer Stufe. Alle Marktteilnehmer könnten auf Grundlage gesicherterter Existenz am Markt frei nach ihren Fähigkeiten und Bedürfnissen teilnehmen. Für Bildung, Weiterbildung, Umschulung und Qualifizierung stellt die Existenzsicherung schon die halbe Miete. Niemand muß seine Qualifizierungswünsche an die mit der Qualizifizierung verquickte Existenz anpassen und dazu überflüsige Behörden aufsuchen.
Deshalb empfiehlt sich – weil die Bindungsfähigkeit von Tarifverträgen abgenommen hat – auch die staatliche Setzung von Mindestlöhnen, die weder von Arbeitgebern noch von Arbeitnehmern unterschritten werden dürfen.
Der Mindestlohn ändert am Gesamteinkommen nichts. Dem Arbeitnehmer dürfte sein, woher er seine Einnahmen bezieht, ob nun komplett vom Staat, teils vom Staat und teils vom Arbeitgeber oder nur vom Arbeitgeber. Die einzige Verbesserung wäre Wegfall von Bürokratie. Dafür kämen aber neue Kontrollen, denn der Mindestlohn wird nicht automatisch gezahlt, nur weil er "logisch" ist.
Menschen die keine Erwerbsarbeit finden, hilft der Mindestlohn überhaupt nichts. Die Schwarzarbeit wird nur vermehrt so daß unsere Gesellschaft sicher immer weiter zu einer großen Kriminellen Vereinigung entwickelt, eine Gesellschaft, in der jeder auf Schritt und Tritt kontrolliert wird. Besonders absurd ist es von Arbeitsethos zu schwafeln, dann aber arbeitende Menschen zu kriminalisieren.
Sicher, mit Mindestlohn braucht man keinen "allgemeinen" Kombilohn mehr, nur hat das nichts mit dem Grundeinkommen zu tun, das wird ja an alle Bürger gezahlt. Hält man sich die Struktur der Gesellschaft vor Augen, so lebten 2006 von 82 Mio Menschen nur 34 Mio "überwiegend von Erwerbsarbeit". Das Grundeinkommen vereinfacht auch die Existenzsicherung für fast 60% der Bevölkerung und ermöglicht großen Teilen, die heute z.B. durch Frühverrentung "stillgelegt" wurden, auf normale Weise am Erwerbsleben teilzunehmen.
Werden diese beiden Instrumente, Sozialtransfers und Mindestlohn, zugleich benutzt und aufeinander abgestimmt, können sie sich gegenseitig entlasten und gerade dadurch die mit ihnen intendierte Wirkung erzielen, dass nämlich Erwerbstätige ein kontinuierliches und ausreichend hohes Einkommen erzielen können und niemand von ihnen gezwungen ist, die Nachfrage nach zu gering entlohnter Erwerbsarbeit bedienen zu müssen.
Und all diese Wunder vollbringen diese Instrumente ganz von selbst, weil sie grammatisches Subjekt in Professorengeschafel sind!
Grundsichernde Sozialtransfers »sorgen« dafür, dass niemand unterhalb eines vorgesehenen Entgeltes arbeiten muss, – und entlasten dadurch den sozialstaatlichen Schutz über den gesetzlichen Mindestlohn und machen es so wahrscheinlicher, dass der Mindestlohn auch eingehalten wird.
Sic!
Ein staatlich gesetzter Mindestlohn hingegen »sorgt« dafür, dass Erwerbseinkommen oberhalb einer bestimmten Mindestlöhne liegen, – und entlastet dadurch die sozialstaatliche Gewähr von Mindesteinkommen, macht es damit zugleich wahrscheinlich, dass ein solches Mindesteinkommen sozialstaatlich auf Dauer garantiert werden kann.
Sic! Das Märchen von Aladins Wunderlampe könnte man hier noch einfügen. Es gibt überhaupt kein Problem, man muß nur die richtigen Worten zusammenfügen!
Genau um diese intelligente Verbindung von Grundsicherung und Mindestlohn muss es gehen.
Sic! Auf "intelligente" Professoren kann dann gänzlich verzichtet werden!
Sie steht aber außerhalb der Möglichkeiten eines Bedingungslosen Grundeinkommens.
Quod erat demonstrandum!
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*) Damit haben wir das perfekte Mittelglied zwischen der "neoliberalen" und der klassisch-linken "Utopie". Bei den Neoliberalen arbeiten die Menschen als Alternative zum Hungertod für ein Linsengericht, bei den klassisch-Linken veranstaltet das verelendete Proletariat diverse Rambazambas und sorgt so für spannende Abwechslung in der Glotze und unsre Sozialdemokraten sehen bei Hungerlöhnen gesetzlich geregelten Arbeitskampf unter Führung braver Familienväter. Ohne Grundeinkommen sind die Arbeitnehmer in allen drei Fällen die Angeschissenen. Somit gilt auch heute noch (Einheitsfrontlied, Brecht/Eisler):
Und weil der Prolet ein Prolet ist,
drum wird ihn kein anderer befrein,
es kann die Befreiung der Arbeiter
nur das Werk der Arbeiter sein.
erinnerungsort.de