29.12.2006, Iris Gleicke (SPD): Die bittere Erkenntnis aussprechen
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SPD-Bundestagsabgeordnete und frühere parlamentarische Staatssekretärin im Bundesverkehrsministerium, Iris Gleicke: "Auf die Nöte des Sozialstaats reagieren"
Berlin - Unter der Überschrift "Die Zeit drängt - Deutschland braucht einen dritten Arbeitsmarkt " hat die ostdeutsche Sozialdemokratin in 15 Punkten ihre Thesen formuliert
Leider nur üblicher Phrasensalat!
Die 15 Punkte enthalten nur die 100e Wiederholung der Beschreibung des Mißstands. Es ist ja schön, wenn nach 20 Jahren Massenarbeitslosigkeit und diversen vergeblichen Experimenten mit "Erwerbslosen" die Sozialdemokraten jetzt auch allmählich raffen, daß Vollbeschäftigung in einem Nationalstaat, der in einem großen Binnenmarkt liegt, nicht zu erreichen ist.
Als Alternative zu der Misere werden uns nun wahrliche Kümmerlinge angeboten:
10.
(...)
Vorbilder im gemeinnützigen Bereich gibt es hierfür bereits, etwa das vor kurzem von Wolfgang Tiefensee initiierte Projekt im Leipziger Nahverkehr oder das Projekt in Bad Dürkheim, bei dem ALG II-Empfänger ihre Einkünfte deutlich - um rund 150 Euro - aufbessern können.
(...)
lool! In Straßenbahnen herumlungern und gucken, daß niemand randaliert! Das ist der Traumjob überhaupt!
Schließlich erfahren wir zum Thema "Bedingungsloses Grundeinkommen":
13. Der dritte Arbeitsmarkt ist kein Allheilmittel. Aber er ist absehbar die einzige Möglichkeit, eine große Zahl von Menschen in eine sinnvolle (!) Beschäftigung zu bringen und ihnen damit ihre Würde zurückzugeben. Das unterscheidet ihn von der zutiefst reaktionären Idee eines als "Bürgergeld" verkleideten, mit großer und großzügiger Geste verteilten Almosens, das die derart "Beschenkten" dauerhaft von gerechter Teilhabe ausschlösse.
Sicher das "bedingungslose Grundeinkommen" ist reaktionär, sagt nicht Karl Marx schon:
"Jeder nach seinen Fähigkeiten, jedem nach seinen Bedürfnissen"?
Nur zu komisch, daß sich die BGE-Feinde nicht einigen können. Die einen sprechen von utopisch-unrealistisch, die anderen von zutiefst reaktionär. Professor Roth warnt im Sommer vor diesem neoliberalen Teufelswerk und im Winter vor sozialdemokratischer Illusionen.
Während uns Iris Gleicke sinnvolle Beschäftigung im Nahverkehr verspricht, wollen Albrecht Müller und Michael Schlecht die deutsche Kanalisation auf Vordermann bringen... Mir scheinen diese Spießer jetzt außer Rand und Band zu geraten.
Und sozialdemokratische Traditionen dürfen auch nicht fehlen:
14. Es war Lassalle, der feststelle, es bleibe die revolutionärste Tat, immer das laut zu sagen, was ist.
Demnach haben wir jetzt ein Land voller "Revolutionäre"!
Und wie lautet nun nach dem ganzen Wortschwall die geniale Erkenntnis?
Der Traum von der klassischen Vollbeschäftigung als Basis eines allgemeinen, für alle erreichbaren Wohlstands ist ausgeträumt.
Das ist nun nach 20 Jahren Massenarbeitslosigkeit eine wahrhaft revolutionäre Wirklichkeitserfassung. Dahinter steckt aber sicherlich nicht Lassalle, dessen Werk eh niemand mehr kennt, sondern wohl mehr die "reaktionären" BGE-fans. Und sie haben auch schon lange die passende Antwort:
Eins, zwei, drei! Laßt die Menschen frei!
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Perestrioka